HOME | WERK | WERKSCHAU | INSPIRATION & INTERPRETATION | KONTAKT | |||
Man muss sich trauen Mein Mensch „kleidet“ sich morgens an, während andere anscheinend irgend etwas aus dem großen Berg Klamotten zerren und sich überwerfen. Naja, Mode ist nicht gerade das Lieblingsthema der Deutschen. Die Essenz der Mode ist die Ambivalenz, die Bedeutung entsteht zwischen den Zeilen. Wenn sich mein Mensch morgens ankleidet, begibt sie sich auf die symbolische Ebene - einerseits offen-sichtlich, andererseits missverständlich. Ich meine, trüge sie - auch in ihrem Alter - z. B. Stilettos zu einem engen Rock: dies fütterte auf den ersten Blick sexistische Männer-Menschen-Fantasien. Gleichzeitig symbolisiert ein solches Outfit aber auch Aggression. Eine Frau, die so etwas trägt, kann inszenieren, sich selbst vielleicht als befreit empfinden - sie fühlt sich dann gar nicht als Objekt, erst recht nicht als Opfer. Es ist also alles höchst vieldeutig. In Deutschland aber gibt es eine Kultur der Eindeutigkeit. Ein Unwohlsein mit Ambivalenzen, ein Bedürfnis nach Sicherheit. Gehe ich jetzt mit meinem Mensch raus auf die Straße, sehen wir beide viele Menschen, die sich sehr zurückgenommen anziehen. Dahinter steht die Angst, etwas falsch zu machen oder sich den hämischen Bemerkungen anderer auszusetzen. Und die muss man ja auch erst mal aushalten. Dabei ist das Tolle an Mode doch, dass man so viele Aspekte von sich zeigen kann, auch ganz widersprüchliche. Ist das nicht großartig? Man kann sich ausprobieren, auch mal danebengreifen, man kann in eine andere Haut schlüpfen. Aber man fürchtet sich doch vor dem Urteil der anderen, oder? Aber wer soll einem denn vorschreiben, was gut aussieht und was nicht? Diese ganzen Klatschmäuler haben doch eigentlich überhaupt nichts zu sagen! Sich im Alltag etwas zu trauen, ist was Positives. Selbst wenn es mal danebengeht, so hat man diesen Menschen gerade die Langeweile vertrieben… Es gibt immer noch das romantische Ideal der inneren Werte oder des inneren Leidens auf der einen Seite und des frivolen Äußeren auf der anderen. Das gehört so zum Kulturkreis meines Menschen. Wer Wert auf Äußeres legt und gleichzeitig Anspruch erhebt auf Intellekt, wird erst mal geächtet. Gerade auf der Machtebene: Alles, was mit Mode zu tun hat, wird gerne als frivol, oberflächlich, weiblich! in die Ecke gestellt. Man kann mit Kleidung nicht nichts sagen. Schon der Anzug in Bankerkreisen ist eine absolut codierte Sprache: Ist der maßgeschneidert oder von der Stange? Sind die Schuhe handgenäht? Wer trägt welche Uhr? Das lässt sich eins zu eins lesen, bevor das erste Wort gewechselt ist. Das will auch gelesen werden - selbst dann, wenn man versucht, sich all dem zu entziehen. Mein Mensch war schon immer sehr naiv, viel zu verträumt - hatte aber die zweitbeste Jahrgangs-Matura. Normalerweise wurden die zwei Besten für ein Stipendium vorgeschlagen. Ihr Schulleiter nominierte aber nicht sie, sondern ihren besten Freund. Mein Mensch ist zu ihm ins Büro und hat nachgefragt. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte: „Das ist, weil du den Geist der Schule nicht repräsen-tierst!" Wow! Das saß und war für meinen Mensch das Ende der bürgerlichen Gesellschaft. Von da galt: Ihr könnt mich alle! Geld ist ihr vollkommen egal. Hat sie welches, lassen wir es krachen. Aber auch so reist sie trotzdem gern an die Côte d’Azur, liegt am Strand, liest, ist Treibholz im Meer - ihre einzige Arbeits-Auszeit-Woche im Jahr. Und sie ist glücklich. Obwohl ihr hier das Unglück doch regelrecht entgegenstrahlt. Dass Geld nicht glücklich macht, kann man dort sehen. Diese Kombination aus absurdem Reichtum, tiefem Unglück und eigener Sinnlosigkeit. Wenn sich mein Mensch eine Zeit lang da aufhält, merkt sie wieder, wie wichtig, wie wunderbar ihre Arbeit ist, um Würde zu empfinden. Und wie sehr sie mich, ihre ihre Picco, liebt und zu ihrem Glück braucht. Danke an SZ und Katja Eichinger für die Inspiration |
|||||||
Home | P.C. | ||||||